Magie und Hitze

Olympia Flagge

Paris 2024 und die unübersehbaren Folgen des Klimawandels für den Sport

Tag 4 der Olympischen Spiele. Angelique Kerber spielt gegen die Kanadierin Layla Fernandez. Es ist Mittag, zu diesem Zeitpunkt herrschen in Paris bereits 32 Grad. Gespielt wird auf Sand und die Sonne brennt unbarmherzig auf den Platz.

In den Pausen streicht sich Kerber immer wieder Eiswürfel übers Gesicht, ein Schirm wird schützend über sie gehalten. Die Kommentatorin stellt sofort fest, dass dieser direkte Kontakt des Eiswürfels auf der Haut einen besseren Kühlungseffekt erziele als sich lediglich Wasser ins Gesicht zu spritzen. 

Die Kamera schwenkt ins Publikum: Die Tribüne ist der Nachmittagssonne voll ausgesetzt. Zu sehen sind Fächer, Mini-Ventilatoren, tief ins Gesicht gezogene Mützen und Hüte und große Sonnenbrillen.

Szenen wie diese spielten sich während der Olympischen Wochen praktisch in allen Sportstätten ab. Die Hitze war das große Querschnittsthema bei dieser Olympiade. Wie bereits schon bei den Olympischen Spielen in Tokio. Damals fragte der Deutschlandfunk: “Ist das schon der Vorgeschmack auf den Klimawandel im Spitzensport?” Für Paris 2024 prognostizierte die New York Times, dass es die heißesten Spiele der Geschichte werden könnten.

In Paris wurden die Sportreporter:innen und -kommentator:innen nun auch zu Hitzeexpert:innen. Worte wie Kühlungseffekte oder Hitzestress flossen immer wieder in die Berichterstattung ein. So kam es zu einer kontinuierlichen, unbewussten Vermittlung von Hitzekompetenzen an die Zuschauer:innen und Fans vor Ort und zu Hause.

Hitze wird zum make it- or break it-Moment im Leistungssport

Die Auswirkungen des Hitze im Leistungssport sind erheblich. Hohe Temperaturen beeinträchtigen das Gedächtnis, die Koordination von Auge und Hand sowie die Konzentration, was zu einer Verschlechterung der sportlichen Leistung führt. In einigen Sportarten ist Sonnenbrand bereits ein ernsthaftes Problem, das voraussichtlich zunehmen und das Hautkrebsrisiko erhöhen wird. Aus physiologischer Sicht führen hohe Temperaturen zu einer verstärkten Schweißproduktion und einer erhöhten Herzfrequenz, was das Risiko von Dehydrierung, Muskelkrämpfen und Herz-Kreislaufproblemen steigert. Hinzu kann ein unruhiger und damit nicht erholsamer Schlaf kommen. Diese Symptome können zusammen zu einem Hitzekollaps führen und im schlimmsten Fall durch ein Multiorganversagen verursachen.

Eine Studie der Leeds Trinity University aus dem Jahr 2022 untersuchte die Auswirkungen heißer und feuchter Bedingungen bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2019 in Doha, Katar. Die Ergebnisse waren alarmierend: Nur ein Athlet beendete den Lauf mit einer persönlichen Bestzeit, während die anderen Athlet:innen 3 bis 20 Prozent langsamer als ihre Bestzeiten waren. Dutzende Läufer brachen den Marathon ab, darunter 25 Prozent des Männerfeldes und 41 Prozent des Frauenfeldes.

Extreme Hitze und eine hohe Luftfeuchtigkeit können somit für viele Athlet:innen zu einem make-it or break it-Moment in ihrer Sportkarriere werden. Da der Olympische Traum für viele Athlet:Innen mit unzähligen Entbehrungen und harter Arbeit verbunden ist, wiegt das Nichterreichen des gesetzen Zieles besonders schwer.

Heat Policies im Profi- und Amateursport

Im Profi- und Amateursport werden bereits Maßnahmen ergriffen, um mit der Hitze als Teil der neuen Trainingsbedingungen umzugehen. 

1. NFL (National Football League) - USA
Protokolle zur Hitzeakklimatisierung und Hydratation

Die NFL hat strenge Hitzeprotokolle, vor allem während der Trainingslager vor der Saison.
Diese beinhalten personalisierte Trinkpläne, die auf den individuellen Bedürfnissen und dem Flüssigkeitsverlust der Spieler basieren.

2. Australian Open - Tennis Australien

Die Australian Open sind berühmt für ihre Richtlinien für extreme Hitze, zu denen auch die Hitzestress-Skala (HSS) gehört. Anhand dieser Skala wird beurteilt, ob die Bedingungen für das Spiel sicher sind, und das Turnier hat bereits Spiele unterbrochen oder nach drinnen verlegt, wenn die Temperaturen stark angestiegen sind.

3. Cricket Victoria 

Cricket-Teams wie Cricket Victoria in Australien haben Richtlinien für extreme Hitze eingeführt, die den Zeitpunkt des Trainings und eben auch flexiblere Spielpläne regeln, die Art der Kleidung für den Hitzeschutz und eine genaues Auge auf eine regelmäßige Flüssigkeitszufuhr haben.

4. Hitzetraining im Profi/Amateur-Radsport und im Triathlon

Das neueste Element unter den Sicherheitsmaßnahmen der UCI World Tour ist ein Protokoll,  um mit hohen Temperaturen bei Straßenrennen umzugehen.
Fahrer:innen trainieren aber auch in speziellen Hitzekammern, die die Bedingungen simulieren, denen sie bei Wettkämpfen ausgesetzt sind. Dies erhöht ihre körperliche und mentale Belastbarkeit. Viele Triathlet:innen passen ihre Rennstrategie basierend auf ihrer Körpertemperatur an, insbesondere beim Laufen, wo die fehlende kühlende Luftzirkulation das Risiko eines Hitzschlags erhöht. Hightech-Kühlsysteme wie Cooling Gear spielen dabei ebenfalls eine wichtige Rolle.

7. Schattenstrukturen und Kühlzonen in Stadien für Fans und Zuschauer:innen

In Stadien und Sportanlagen werden zusätzliche Schattenstrukturen und Kühlzonen eingerichtet. Bei den Olympischen Spielen in Paris gab es Abkühlungsstationen für die Besucher:innen und Zuschauer:innen.  Bei den Stadien sticht die Climate Pledge Arena in Seattle / WA als Best Practice heraus. Die bereits bestehende Stadioninfrastruktur wurde zu einer Mehrzweckhalle erweitert und dabei im Sinne der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes umfangreich modernisiert und renoviert. Unter anderen gibt es gut durchdachte Schattenstrukturen und Kühlzonen, die den Besucher:innen Schutz vor der Sonne bieten und ihnen die Möglichkeit geben, sich zu erholen. Das Dach ist mit Solarzellen ausgestattet, die einen Teil des Energiebedarfs decken. Diese Solarzellen tragen zusammen mit anderen Kühlmaßnahmen dazu bei, dass das Stadion auch an heißen Tagen angenehm kühl bleibt. 

Mehr Klimaanpassungsstrategien auch für den Freizeitsport

Klimaanpassungsmaßnahmen sind im Freizeitsport genauso wichtig wie im Profisport, weil extreme Wetterbedingungen alle Sportler gleichermaßen betreffen, unabhängig vom Niveau oder der Organisation. Informell organisierte Aktivitäten finden oft im Freien und ohne professionelle Infrastruktur statt, was das Risiko von Hitzestress, Dehydrierung und anderen wetterbedingten Gesundheitsproblemen erhöht. Da Freizeitsportler:innen in der Regel weniger Zugang zu medizinischer Betreuung und Schutzmaßnahmen haben, sind effektive Klimaanpassungsstrategien entscheidend, um die Sicherheit und das Wohlbefinden aller Beteiligten zu gewährleisten.

Klimaanpassungsmaßnahmen im Freizeitsport sind genauso entscheidend wie im Profisport, denn extreme Wetterbedingungen betreffen alle gleichermaßen – Sportler:innen,, Zuschauer:innen,, Familien und insbesondere Kinder und Jugendliche und ältere Menschen. Vereine und Kommunen tragen hier eine gemeinsame Verantwortung: Vereine sollten sicherstellen, dass ihre Mitglieder bei sportlichen Aktivitäten geschützt sind.

Die im Juni 2024 erschienene Studie “European Sport: One or several sporting realities” der niederländischen Organisation “Play the Game” kommt zum Schluss, dass  ein erheblicher Teil der Freizeitsportler:innen in Europa nicht über Vereine organisiert ist oder Fitnessclubs besucht, sondern sich in öffentliche Raum wie Stadtparks sportlich betätigt. Gerade die Städte werden zu Freizeitsportarenen. 

Im Rahmen von Smart-City-Initiativen könnten Klimaanpassungsmaßnahmen im Freizeitsport somit als Ausgangspunkt für effektiven Klimaschutz dienen. Da ein bedeutender Teil der Stadtbevölkerung weder Fitnessstudios noch Vereine nutzt, liegt es an den Kommunen, hier mit entsprechenden Programmen aktiv zu werden. Diese Maßnahmen würden nicht nur die Freizeitsportler schützen, sondern auch den öffentlichen Raum sicherer und lebenswerter gestalten – ein Modell, das weltweit Nachahmung finden könnte.

Solche Maßnahmen werden immer dringender. Mit Blick auf die zunehmende Urbanisierung – bis 2035 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben – wird der Bedarf an geschützten Freizeitsportflächen steigen. Anpassungen im Stadtpark, die das Sporttreiben zu kühleren Tageszeiten ermöglichen, könnten sich als roter Faden für nachhaltige und klimafreundliche Stadtplanung erweisen, der allen Generationen zugutekommt und die soziale Integration fördert.

Olympia 2028 - a road to hell?


Die Olympischen Spiele 2024 in Paris haben uns einerseits die Magie des Sports spüren lassen. Neue und alte Sportarten wurden gefeiert, und die Spiele haben Menschen weltweit inspiriert und zusammengebracht. Der Zusammenhalt und die Freude, die diese Spiele mit sich brachten, waren unbestreitbar. Und ganz egal ob Profi- oder Freizeitsport: Sport bedeutet Gemeinschaft und vermittelt ein Gefühl der Zugehörigkeit.

Andererseits hat sie uns auch die Dringlichkeit der Klimakrise vor Augen geführt. Sie haben uns gezeigt, wie gefährlich extreme Hitze im Sport sein kann. Die Klimakatastrophe ist real und wir brauchen dringend Lösungen  für den Profisport, den Freizeitsport sowie für Zuschauer:innen und freiwillige Helfer:innen. 

Die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles, einer Stadt, die zwar für ihre pseudo-gesunde Lebensweise bekannt ist, aber nicht unbedingt für Nachhaltigkeit, werden zweifellos die heißesten aller Spiele werden.

In den kommenden vier Jahren müssen  deshalb noch mehr innovative Maßnahmen entwickelt werden, damit der Sport auch in einer immer aufgeheizteren Welt als zentraler gesellschaftlicher Bestandteil erhalten bleibt. 

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Ein paar Zahlen zum Sport
Mehr als 60% der Deutschen ab 16 Jahren sind regelmäßig im Freizeitsport aktiv. In Deutschland gibt es rund 87.000 Sportvereine, in denen etwa 27 Millionen Menschen organisiert sind. Im Jahr 2022 hatten über neun Millionen Menschen eine Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio. Abgesehen von der aktiven Sportausübung zieht auch der Sport als Zuschauerereignis Millionen von Fans an, die vor den Bildschirmen, in Stadien und Sportstätten mitfiebern. Das Verfolgen von Sportwettkämpfen gehört daher zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten der Bevölkerung (Quelle: Statista)

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Zum Weiterlesen:

World Economic Forum
”Climate Action: Here are 5 ways that climate change is affecting sports around the world”
https://www.weforum.org/agenda/2024/08/climate-change-sports-impact/

Rapid Transition Allicance
”Playing against the clock”
https://rapidtransition.org/resources/playing-against-the-clock/

Organisationen:
Protect our Winters
https://protectourwinters.org/about-pow/annual-reports/

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